Politikverdrossenheit hat Gründe...und keiner beschäftigt sich damit

Bevor ich in das Thema einsteige, möchte ich mal gleich klarstellen, dass ich die Gründe die ich anführe aus einem Gefühl, einem Empfinden, darstelle - das hier hat nicht den Charakter einer diplomesken Arbeit. Das will dieser Blog auch nicht erreichen.

 Um Politikverdrossenheit kennenzulernen und zu erleben muß man nicht sehr weit reisen, man muss nur seine eigene Umgebung beobachten.Wie oft kommt man da auf Aussagen wie z.B.: "..die da oben.." - "..bei Politik im TV schalte ich weg..." - "..darum kümmere ich mich schon lange nicht mehr" etc. Das ist für die heutige Politik zu gleichen Teilen nützlich und traurig. Nützlich, weil die Politiker sich kaum noch mit Argumentationen ihrer Ziele und Forderungen beschäftigen müssen, denn es verfolgt ja eh kaum jemand, und traurig weil das Regelungsmoment der Demokratie, d.h. der Widerstand gegen politische Vorhaben, komplett oder zumindest teilweise wegfällt oder irgendwo verpufft.

 Aus meiner ganz menschlichen Sicht gibt es einen generellen Mangel: Keine Partei macht den Eindruck dass an einem Ziel gearbeitet wird, welches dann für Deutschland, im Zusammenhang mit der EU, einen langfristig wirksamen Erfolg erreicht. Sobald eine Partei Vorschläge macht, werden diese von der jeweiligen Opposition zerlegt. Damit punktet man aber nur vor der eigenen Parteibasis, auf alle Menschen außerhalb der "politischen Welt" wirkt das wie eine Parallelwelt. Doch warum ist das so? Bekommen Politiker überhaupt noch mit wie man sie wahrnimmt?

 Einer der vielen Gründe für eine gesteigerte Politikverdrossenheit liegt zeitlich gar nicht so weit entfernt, es handelt sich um die große Koalition, GroKo genannt. Dieses politische Scharmützel war ein Paradebeispiel dafür Politik nicht zu mögen. Als die Bundestagswahl herum war wurde schnell klar, eine klare Mehrheit gab es nicht. Da dies vorher schon klar war, wurden schon vorab Bündnisse lautmalerisch verkündet und mit netten Worten als Handelsnamen versehen. Da gab es "Jamaika" oder das bekannte "rot-grün" oder die immer mal rettende "GroKo". In Berlin hat man "R2G" , also das Bündnins von SPD, die LINKE und den Grünen, diese Variante schließt sich aber bundesweit bisher aus, obwohl einige Flügel der SPD das immer wieder ins Spiel bringen.

 Schon in den Verhandlungen wurde klar, dass wird nicht leicht. Erst wurde ewig verhandelt, dann beendete die FDP die Verhandlungen (den Stil und die Art und Weise lasse ich hier weg, das verlängert den Text zu sehr) und alles brach auseinander. Andere Verhandlungen zogen sich dann 6 Monate hin. Nun dachte jeder das jemand der so lange verhandelt sich alles gut überlegt hat und weiß worauf er sich einläßt. Beide Seiten sollten alles für sie Wichtige ausgehandelt haben. Nun kam aber raus, keiner hatte sich das tiefgründig überlegt, oder seine Punkte vorangetrieben. Erst durch einen vehement auftretenden Kevin Kühnert, der gegen die GroKo agierte, wurden die Mitglieder der SPD nach ihren Wünschen befragt. Toll war aber, dass viele von denen die heute die GroKo verteufeln, damals auf Werbetournee dafür waren. Immer hin bekam Kevin Kühnert zum Dank dafür, dass er viele neue Mitglieder geworben hat, einen Toaster mit SPD-Logo.

 Doch liest man Tweets wie diese:

  Spott+Häme der Konservativen und maliziöse Untergangsprognosen für die SPD haben uns noch nie beeindruckt. Das war stets genauso falsch wie Verhalten der konservativen+liberalen Parteien, als nur Sozialdemokraten für Freiheit+Demokratie eintraten und der Diktatur widerstanden. (Quelle: Twitter / von @Ralf_Stegner / 21.09.2018)

 Da fragt man sich doch in wessen Realität derjenige lebt, die dort benannte "Spott und Häme" ist genauso hämisch und spöttisch wie meisten Tweets des Verfassers. Die SPD hat in der Bundestagswahl 2017 mit 20,x Prozent eines der schlechtesten Ergebnisse aller Zeiten eingefahren, obwohl der Parteivorsitzende Martin Schulz mit 100 Prozent zum Kanzlerkandidaten gemacht wurde. Wer da keine Differenzen zwischen der Partei als Konstrukt und dem Wähler als quasi Kunden sieht, der sollte nochmals draufschauen. Aber am Ende hat man "die Diktatur überstanden", ein tolles Rezept - immer schön das Dritte Reich erwähnen, das erzeugte schon immer Stimmungen. Außerdem folgt es einer Taktik die man "erwähne etwas Superschlechtes, dann ist das Schlechte nicht mehr so schlimm" nennen könnte.

 Schaut man auf aktuelle Themen, so wird der Politikverdruß erst richtig angefacht. Maaßen sollte nicht mehr Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz sein, soweit so gut. Aber dann wollte ein selbstherrlicher Innenminister seinen Lieblingsbeamten nicht verlieren, und schmiss sich vor ihn wie eine Löwenmutter. Lösung: Warum nicht als Staatssekretär ins Innenministerium, also in den Schoß der eigenen Behörde. Das konnte die Opposition natürlich nicht vertragen und intervenierte lautstark, naja Andrea Nahles ist ja immer irgendwie lautstark, also am Ende mehr laut als stark...SPD-Mitglieder mögen mir verzeihen, ich weise nochmals auf meine Empfindungen hin.

Die Differenzen beziehen sich auch nach wie vor auf Themen wie Migration, Sicherheitspolitik, augenscheinlich auch auf Personalpolitik. Diese Differenzen gab es auch schon vor der Koalition. Da fragt man sich als Normalmensch doch, warum geht man dann eine solche Beziehung ein?
Die Antwort darauf hat der Normalmensch schnell parat: Machtgeilheit! Ist es wirklich so? Versetzen Sie sich einmal in die Lage eines 0815-Wählers und versuchen Sie dann die Vorgänge um "#SPDerneuern" in einen Kontext zu bekommen. Ist eine Partei erneuert wenn plötzlich Mitglieder die Spitzenposten bekleiden, welche man bereits seit 20 Jahren sieht? Ist das Erneuerung?

Damit dieser Artikel nicht zum SPD-Bash ausartet, sei mal gesagt das besonders Horst Seehofer eine unrühmliche Position in der Gemeinschaft zw. CDU und CSU einnimmt. Manchmal wirkt es als verachte er die CDU-Vorsitzende über jedes Maß hinaus. Seehofer biedert sich jedem in Europa an, der seine Grenzpolitik auch nur ansatzweise gutiert. Seehofer sagt einfach Dinge, die an jedem Stammtisch ankommen, und kaum jemand sieht , dass er eine Landtagswahl vor der Nase hat. Ich kann mich an keine Aussage erinnern, die, politisch gesehen, eine brauchbare Tragweite hatte.

Angela Merkel verbessert die Lage auch nicht immer, denn ihr Grundprinzip lautet: keine Experimente, wenig Handlung und gezieltes Abwarten bis man milde handelt...so beeindruckt man keinen. Hört man allerdings in seiner Umgebung umher, so hört man oft: "Aber wer soll es denn sonst machen?". Diese Aussage ist zum einen richtig, aber auch erschreckend. Denn es zeigt ein weiteres Problem der Tagespolitik: zum Machterhalt muß jedes Talent in der eigenen Umgebung als Gefahr erkannt und eliminiert werden. Es existiert überhaupt kein Gedanke an Nachwuchsförderung, eher im Gegenteil, man erzeugt mit der heutigen Strategie schon das Macht-Vakuum von morgen, und zwar wissentlich!

Fassen wir zusammen:
Wir haben Parteien die Allianzen eingehen, obwohl es kaum Gemeinsamkeiten zu geben scheint. An langfristigen oder mittelfristigen Zielen wird, wenn überhaupt, nur wenig erkennbar gearbeitet. Hohe Parteimitglieder ziehen andere in sozialen Medien durch den Morast, das Personalroulette dreht sich fröhlich nach der Musik von Förderern und Hassern und nicht zuletzt erneuern sich Parteien indem sie Altpersonal als neu verkaufen, weil man keinen Nachwuchs heranzieht.....ist Politikverdruß immer noch so unverständlich?
Im o.g. Text kommt die AfD mit Absicht nicht vor, aber da oben stehen diverse Sachverhalte, die im Zusammenspiel mit anderen Dingen dafür Sorgen das neben dem AfD-Logo ein Kreuz auf dem Wahlzettel landet.

MG, 09/2018, Berlin

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