Bier in der Öffentlichkeit - oder Erkennungszeichen "braune Flasche"

Früher galt das Feierabend-Bier als Ausgleich für einen Arbeitstag. Wenn das Tagwerk getan wurde der Ärger mit Hefeextrakt heruntergespült.
Was mich wundert ist, dass sich das Feierabend-Bier aber nun in den öffentlichen Raum zieht und dort auch prompt genossen wird. Auf Bahnhöfen und in den Bahnen sitzen immer mehr Leute mit ihren Braunglasflaschen und "genießen" ihren Feierabend. Obwohl man nicht aus allen Gesichtern bei diesem Vorgang einen Genuß lesen kann.Manchmal ist auch nicht Feierabend, oder der Genießer kommt aus einem Nachtdienst.

Aber egal, was mich stört ist dieses unästhetische Bild was sich da ranhängt. Dieser Anblick eines biertrinkenden Handwerkers hat immer etwas unkonformes, ja etwas nicht gerade schönem. Auch der Normalo oder Computer-Nerd sieht dabei nicht besser aus. Anscheinend liegt es also nicht am Handwerker-Outfit, das der Vorgang an sich so unansehnlich ist.

Was die meisten Fragen erzeugt ist die Tatsache was dieses Öffentlichkeitstrinken eigentlich aussagen soll, was ist das? Beer to go? Kulinarischer Outdoor-Trinkgenuß? Ich weiß es nicht.

Das in der Öffentlichkeit getrunkene Bier ist übrigens seltenst ein Weißbier, eher ein Sternburg oder Oettinger, seltener ein Becks oder Warsteiner. Und schon gar nicht ein Budweiser. Also anscheinend ist der Genuß in der Öffentlichkeit direkt an den Ausgabepreis gekoppelt. Das kann ich übrigens gut verstehen, denn mit einem Picasso unter dem Arm oder einer Originalausgabe von Berthold Brecht würde ich ja auch nicht durch die Stadt laufen, mit einem Poster von den Bauarbeiter auf nem Stahlträger in New York oder einem Grisham mache ich das ohne Sorgen.
Weiterer Streitpunkt in Sachen "Bier coram publico" ist die Wahl des Flaschenmaterials, also Glas oder Plastik? Hier ergeben sich wahre Streitpunkte in Fragen Genuß, Haltbarkeit, Outdoor-Tauglichkeit und Mobilität. Der genußgeneigte Kenner und Gourmet bevorzugt natürlich das klassische Glas, wohingegen der gewichtsbewußte Vieltrinker gern zur Kunststoffflasche greift.

Aber wie wir Menschen so sind, wir haben eine Meinung. Und verschiedene Meinungen führen zu Diskussionen. Und genau das passierte letztens in der Berliner Ringbahn in Höhe der Station "Landsberger Allee". Es stieg ein Kunststoffflaschen-Vieltrinker zu, und gesellte sich zielsicher zu einem Glasflaschen-Gourmet. Die beiden sahen sich vielsagend an und kurze Zeit später gab es ein Lächeln, und der Expertenzirkel begann. Eine breitgefächerte Diskussion über das für und wider der einen oder anderen Biersorte , angereichert durch die Flaschenmaterial-Analyse, begann anregend. Dieser spontane Expertenzirkel ist zwar sehr interessant, läßt mich aber doch meine Kopfhörer mit aktivem Schall-Umgebungsschutz wieder aktivieren und ich klink mich elegant aus. Ich sehe die Gesichtsausdrücke und Mundbewegungen und deute die hohe Aktivität des Gesprächs.

Am S-Bahnhof Neukölln muß ich mich aus der Runde lösen und lasse die beiden im "Glas/ Plastik"-Theorem zurück. Abschließend denke ich : "Prost Jungs....aber ohne mich.", zurückgelassen nur in der Frage ob das öffentliche Bier nun auch ein öffentliches Ärgernis in geringem Maße ist, oder eine Kommunikationshilfe. Die beiden Personen in der Schilderung brachte das öffentliche Bier ja zusammen. Sollte ich den Begriff "öBier" schützen lassen? Oder als #hashtag etablieren? Fragen, Fragen, Fragen.....

MG, 03/2014

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